Vom Wissen zum Handeln
Reallabore zu Elternbeteiligung in der Schule
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Studien zeigen: Wenn Eltern und Schule zusammenarbeiten, dann wirkt sich das positiv auf den Schulerfolg der Kinder aus (Fan & Chen, 2001; Henderson & Mapp, 2002; Jeynes, 2005; van Voorhis et al., 2013). Dieser Befund hat für Aufsehen gesorgt: Bietet Elternbeteiligung etwa eine Lösung, um der anhaltenden Bildungsungleichheit in Deutschland zu begegnen?
Nur bedingt, denn Untersuchungen zeigen auch, dass die verschiedenen Formen von Elternbeteiligung[ED1] , oder im englischen parental involvement, unterschiedlich wirkungsvoll sind. Am wenigsten Wirkung zeigen Beteiligungsformen, die zum sogenannten home based parental [ED2] involvement gehören, wie die Gestaltung des Lernplatzes oder die Unterstützung bei den Hausaufgaben. Weit wirkungsvoller sind Arten der Beteiligung, die zur Kategorie des school based parental involvement gehören. Darunter fällt beispielsweise das Engagement im Elternbeirat, die Teilnahme am Elternabend oder an schulischen Veranstaltungen. Am meisten Wirkung entfalten Beteiligungsformen, die unter dem Begriff academic socialization gefasst sind und welche, die häusliche Kommunikation über Lernstrategien, Leistungserwartung und berufliche Orientierung beinhalten (Hillmayr et al. 2021; Hill & Tyson 2009).
Auf organisationaler Ebene kann festgestellt werden, dass nur bestimmtes elterliches Engagement vom System Schule gewünscht ist. Die Mitwirkung an Schule folgt bestimmten Regeln und eine partnerschaftliche Mitgestaltung auf Augenhöhe ist nur selten willkommen. Stattdessen wird erwartet, dass Eltern zum reibungslosen Ablauf des Unterrichts beitragen, indem sie dafür sorgen, dass das Kind mit den benötigten Materialien ausgestattet ist. Auch die Mithilfe bei der Organisation schulischer Veranstaltungen wird begrüßt, indem zum Beispiel der Auf- und Abbau übernommen oder ein Kuchen zum Buffett beigesteuert wird. Dieses Phänomen wird mit dem Begriff Plugin-Participation auf den Punkt gebracht (Ishimaro & Takhashi 2017).
Noch dazu kommt, dass nicht alle Eltern dieselben Möglichkeiten haben an Schule zu partizipieren. Insbesondere Eltern, aus weniger privilegierten Verhältnissen und Eltern mit Migrationsgeschichte können deutlich weniger teilhaben (Kollender, 2020). Sie können, die ihnen zugedachten Rollen als Hilfslehrkräfte und Zuliefer*innen (Killus & Paseka 2026) schlechter ausfüllen und werden damit nicht den schulischen Erwartungen gerecht. Ihre Zurückhaltung wird als Desinteresse gedeutet (Betz et al., 2017): Fachpersonen aus Schule und Betreuung trauen den Eltern aus sozial benachteiligten und migrantisierten Verhältnissen schlicht nicht zu, dass sie ihre Kinder unterstützen wollen. Eltern aus akademischen oder mittelschichtsorientierten Kontexten wird dagegen eher eine förderliche Haltung unterstellt (Crozier, 2001; Crozier & Reay, 2005). Tatsächlich zeigen Forschungsergebnisse, dass sich Eltern mit unterschiedlichem soziökonomischem Status, auf unterschiedliche Weise einbringen. Gerade Eltern aus sozial benachteiligten Verhältnissen unterstützen eher bei den Hausaufgaben, während Eltern aus akademischen Kontexten sich eher im Elternbeirat und bei Schulveranstaltungen engagieren (Marcus et al.).[ED3]
Bisher ist jedoch weitgehend unklar, wie genau derartige Ungleichheiten entstehen bzw. durch welche Mechanismen sie an der Schnittstelle von Familie und Schule hergestellt werden (Betz et al., 2017).
Deshalb hat SODETE, ausgehend von den Erkenntnissen aus der eigenen Forschungsphase, drei Reallabore mit einem je spezifischen Themenfokus ins Leben gerufen.
Die Zusammensetzung der Begriffe ‚Realität‘ und ‚Labor‘ verweist auf zweierlei: einerseits die Verortung in der Wissenschaft und andererseits den Anwendungskontext in der alltäglichen Lebenswelt (Parodi & Steglich, 2021). In den Reallaboren von SODETE suchen Wissenschaftler*innen gemeinsam mit Akteur*innen aus der Praxis und Vertreter*innen der Elternschaft gemeinsam nach Wegen, um die Zusammenarbeit zwischen Eltern und Schule im konkreten Fall zu verbessern. Sie arbeiten also gemeinsam an der „Entwicklung, Sichtbarmachung und Erprobung wünschenswerter gesellschaftlicher Zukünfte mit wissenschaftlichen Mitteln“ (Steglich & Parodi, 2021, S. 255).
- Das Reallabor I widmet sich dementsprechend, unter dem Themenfokus Ganztagsschule und Familie, den Hausaufgaben und der schulisch organisierten Hausaufgabenbetreuung, mit dem Ziel, Verbesserungsmaßnahmen für die daraus resultierenden Probleme bei der Zusammenarbeit zwischen Eltern, Schule und Betreuung zu entwickeln und zu erproben.
- Im Reallabor II werden die Herausforderungen einer heterogenen Elternschaft beleuchtet und daran gearbeitet die Beteiligungsmöglichkeiten von Eltern aus sozial benachteiligten und migrantisierten Kontexten zu stärken.
- Das Reallabor III stellt das formalen Beteiligungsformat des Elternabends ins Zentrum des Interesses und fragt wie dieser gestaltet sein muss, damit die Kooperation der Lehrpersonen, Elternbeirät*innen und Eltern einer Klasse besser gelingt.
Mit den Reallaboren hat SODETE Lernräume eröffnet (Singer-Brodowski et al., 2018; Schäpke et al., 2017), in denen die Wissenschaftler*innen des Forschungs- und Praxisprojektes mit den Lehrpersonen und den Betreuungskräften sowie den Vertreter*innen aus der Elternschaft der beiden Kooperationsschulen transdisziplinär zusammenarbeiten und voneinander lernen (Di Giulia & Defila, 2018). Jede Partei bringt dabei die jeweilige Expertise mit ein, um gemeinsam, partizipativ, die wissenschaftlichen Erkenntnisse in praktisches Handeln zu übersetzen (Engels & Walz, 2018). Die daraus resultierenden, konkreten Verbesserungsmaßnahmen werden in sogenannten Realexperimenten erprobt (Schäpke et al., 2017).
- In Reallabor I wurden verschiedene Maßnahmen entwickelt, um die Kommunikation zwischen Eltern, Lehrpersonen und Betreuungskräften zu verbessern und so zu einer engeren Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen beteiligten Akteur*innen bei der schulisch betreuten Hausaufgabenzeit beizutragen.
- In Reallabor II wurde versucht durch die Veranstaltung eines Elterncafés sowie Interventionen an einem Willkommensfest die Vernetzung unter den neuen Erstklasseltern zu stärken.
- In Reallabor III wurden kleinere Veränderungen umgesetzt, um zur Teilnahme am Elternabend zu motivieren und diesen gewinnbringend für alle Eltern zu machen.
Beim gemeinsamen Entwickeln, Ausprobieren, Evaluieren und Anpassen von Veränderungsideen, begünstigt der Austausch von unterschiedlichen Wissensständen und Sichtweisen einerseits die individuelle Kompetenzerweiterung der Beteiligten. [ED1] Andererseits fordert die Arbeit im Reallabor zum sozialen Lernen auf, da die unterschiedlichen Interessen, Anliegen und Ziele der Beteiligten immer wieder neu ausgehandelt werden müssen (Singer-Brodowski et al., 2018). Gleichzeitig werden unsere Reallabore kontinuierlich forschend begleitet. Das neu generierte Wissen fließt direkt in die Arbeit im Reallabor ein (Schäpke et al. 2017) und bringt die Anpassungen bei der Umsetzung Maßnahmen und im Arbeitsmodus in den Reallaboren. In unseren Reallaboren hat sich gezeigt, dass zu unterschiedlichen Zeiten im Arbeitsprozess verschiedene Austausch- und Workshopformate eine notwendige, inhaltliche Ergänzung zu den Realexperimenten darstellen.
In Reallabor I wurden verschiedene Workshops mit Eltern, Schulpersonal und Fachkräften aus der Ganztagsbetreuung genutzt, um auf das Problemfeld ‚Hausaufgaben‘ aufmerksam zu machen und es gleichzeitig mit den Beteiligten weiter zu ergründen.
In Reallabor II wurde ein Fortbildungsbedarf deutlich, in dem Fachpersonen aus Schule, Betreuung und Schulsozialarbeit Handwerkszeug für den herausfordernden Umgang mit einer vielfältigen Elternschaft erhalten. bringt.
In Reallabor III stand das Amt der Elternvertretung im Zentrum der Workshops. Es ging darum aufzuzeigen und auszuloten, welche Herausforderungen, welche Aufgaben und welche Möglichkeiten die Tätigkeit als Elternvertreter*in für eine vielfältige Elternschaft mit sich bringt.
Die Rückspiegelung der neuen Erkenntnisse aus den Reallaboren in die Wissenschaft wirkt auch auf Disziplinebene nach, indem das Verständnis für handlungspraktisches Wissen erweitert wird und neue Fragen aufgeworfen werden, die weitere Forschungstätigkeiten [ED1] nahelegen (Singer- Brodowski et al., 2018). Mit Blick auf die Realexperimente geht es auch darum, die gefundenen Einzelfalllösungen soweit zu abstrahieren, dass andere Schulen davon profitieren können.
In der Funktion als Initiator, Moderator und treibende Kraft bedeutet die Arbeit in den drei Reallaboren für SODETE, ein ständiges Changieren zwischen vier verschiedenen Rollen (Hilger et al., 2018).
Als Change Agents wurde für die Wichtigkeit des Themas und um Commitment bei den Beteiligten geworben, aber auch die Weiterarbeit im Reallabor vorangetrieben, indem die einzelnen Arbeitsschritte methodisch vor und nachbereitet wurden.
Als Facilitators wurde die jeweiligen Beteiligten an einen Tisch geholt und abwechselnd Räume zum Erfahrungsaustausch und zum Austausch zwischen den Beteiligten geschaffen. Die Aufgabe war auch dafür zu sorgen, dass alle Perspektiven gehört und ernst genommen wurden. Verschiedene Kanäle und Veranstaltungen wurden genutzt, um eine breitere Öffentlichkeit auf die Arbeit im Reallabor aufmerksam zu machen und neuen Mitstreiter*innen die Mitarbeit zu ermöglichen.
Als Reflective Scientists war es die Aufgabe von SODETE zu analysierten und zu reflektieren wie Zusammenarbeit im Reallabor funktionierte, sprich, welche unterschiedlichen Möglichkeiten der Einflussnahme unter den Beteiligten bestanden. Es ging aber auch darum, sich der eigenen Agenda bewusst zu werden und diese transparent zu machen.
Literaturverzeichnis
- Goebel, Jan; Krause, Peter (2024): Einkommensentwicklung und Armut nach Bevölkerungsgruppen. Verteilung, Angleichung und Dynamik. In: Bundeszentrale für politische Bildung, Statistisches Bundesamt, Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung und Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (Hg.): Sozialbericht 2024. Ein Datenreport für Deutschland. Bonn, S. 203–227. Online verfügbar unter https://www.bpb.de/system/files/dokument_pdf/Sozialbericht_2024_bf_k2.pdf, zuletzt geprüft am 04.12.2024.
- Loschert, Franziska; Kolb, Holger; Schork, Franziska (2023): Prekäre Beschäftigung - prekäre Teilhabe. Ausländische Arbeitskräfte im deutschen Niedriglohnsektor. SVR-Studie 2023-1. Hg. v. Sachverständigenrat für Integration und Migration.
- Maaz, Kai; Artelt, Cordula; Brugger, Pia; Buchholz, Sandra; Kuger, Susanne; Kühne, Stefan et al. (2024): Bildung in Deutschland 2024. Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zu beruflicher Bildung. Bielefeld: wbv.
- Salikutluk, Zerrin; Podkowik, Klara (2024): Grenzen der Gleichheit: Rassismus und Armutsgefährdung. Kurzbericht des Nationalen Diskriminierungs und Rassismusmonitors. Hg. v. Deutsches Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM). Berlin (NaDiRa-Kurzbericht, 1). Online verfügbar unter https://www.rassismusmonitor.de/detail/2024-5-7/grenzen-der-gleichheit-rassismus-und-armutsgefaehrdung/, zuletzt geprüft am 04.12.2024.
- Statistisches Bundesamt (Hg.) (2024): Armutsgefährdungsquote nach Migrationshintergrund. Migration und Integration. Online verfügbar unter https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Bevoelkerung/Migration-Integration/Tabellen/migrationshintergrund-armutsgefaehrdung.html, zuletzt geprüft am 02.10.2024.
- Weishaupt, Horst (2023): Umgang mit Sprachenvielfalt. Schüler*innen mit nichtdeutscher Familiensprache. In: Bildung & Wissenschaft (6), S. 15–20.
Wößmann, Ludger; Schoner, Florian; Freundl, Vera; Pfaehler, Franziska (2023): Der ifo-"Ein Herz für Kinder"-Chancenmonitor. Wie (un.)gerecht sind die Bildungschancen von Kindern aus verschiedenen Familien in Deutschland verteilt? In: ifo Schnelldienst 76 (04), S. 29–47. Online verfügbar unter file:///C:/Users/pss447/Downloads/sd-2023-04-freundl-et-al-chancenmonitor-1.pdf, zuletzt geprüft am 03.12.2024.