Mit welcher Intention sind wir in das Reallabor gegangen?
Reallabor “Vielfalt in Familie und Schule”
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Die Familie spielt eine zentrale Rolle in der Bildung und Entwicklung von Kindern. Sie vermittelt Wissen und Werte, bietet emotionale Unterstützung und soziale Orientierung und schafft den Rahmen für diverse Lebenserfahrungen der Kinder. In Deutschland hängen die Bildungsbeteiligung und der Bildungserfolg von Kindern stark von ihrem familiären Hintergrund ab (Wößmann et al. 2023; Maaz et al. 2024). Um Bildungsbarrieren abzubauen, ist es daher wichtig, die unterschiedlichen Bedingungen, unter denen Kinder aufwachsen, angemessen zu berücksichtigen.
Die Bedingungen, unter denen Kinder und ihre Familien heute in Deutschland leben, sind sehr vielfältig. Diese Vielfalt zeigt sich zum Beispiel in sprachlichen, sozialen und ökonomischen Unterschieden, die den Alltag vieler Familien bestimmen. Familien unterscheiden sich auch im Hinblick auf ihre Gesundheit oder (Dis-)Ability, also in der Frage, ob sie von einer Behinderung betroffen sind oder nicht. Auch die Familienstruktur, die Bildungsbiografien und Beschäftigungsverhältnisse der Eltern prägen das Familienleben. Zudem gibt es Familien, in denen einige oder alle Familienmitglieder über Migrationserfahrungen verfügen. Familien erleben außerdem in unterschiedlichem Ausmaß Diskriminierung.
In unseren Beobachtungen und Interviews ist uns aufgefallen, dass an den Grundschulen vor allem der sprachlichen Vielfalt unter den Schüler*innen und ihren Familien große Aufmerksamkeit gewidmet wird. Und tatsächlich wächst in Baden-Württemberg fast ein Drittel aller Schüler*innen in Familien auf, in denen nicht ausschließlich Deutsch gesprochen wird, an einigen Schulen sind sogar die Schüler*innen mit einer nicht-deutschen Familiensprache in der Mehrheit (Weishaupt 2023).
In den von uns beforschten Schulen werden unzureichende Deutschkenntnisse als eine wesentliche Hürde für das Lernen betrachtet. Die Lehrpersonen setzen das Beherrschen der deutschen Sprache als selbstverständliches Vorwissen voraus, über das jede*r Schüler*in verfügen muss. Gleichzeitig sehen sich Lehrpersonen nicht dafür zuständig, dieses Vorwissen zu vermitteln und verweisen darauf, dass sie das im Schulalltag auch gar nicht leisten können. Stattdessen nehmen sie die Eltern in die Pflicht und fordern sie auf, ihre Kinder zuhause intensiv zu fördern. So sagt eine Lehrerin am Elternabend, dass sie „die Zweisprachigkeit zwar schätze“, die Defizite in der deutschen Sprache aber „nicht auffangen“ könne. Die Lesekompetenz könne in der Schule nur „angebahnt“ werden, sie „müsse“ maßgeblich von den Eltern unterstützt werden.
In ihrem Alltag sind aber gerade Familien mit Zuwanderungsgeschichte und nicht-deutscher Erstsprache mit vielen Herausforderungen konfrontiert. So berichtete etwa eine Mutter:
„Also wir selber wir sprechen die Sprache nicht so gut. Und ((Räuspern)) das haben wir unterwegs gelernt. Wir haben kein Geld gehabt die Schule zu machen. Also die deutsche Kurs zu machen. Dann haben wir uns entschieden zum Arbeiten. Mein Mann Frühschicht, ich Spätschicht. Und dann einfach die Kinder in Kindergarten und in die Schule geschickt. […] Ja also des und wir sprechen eine gebrochene Sprache. Also des mit dem Sprechen klappt irgendwie. Und ich glaube, dass ich nicht die Einzige bin. So mit dem Sprache klappt irgendwie, aber so beim Hausaufgabe dass zu erklären in deutsche Sprache zu dem Kind und, dass du selber als Elternteil das von dem Hefte und Bücher alles zu verstehen, das ist kompliziert und dauert einfach länger.“
Das Beispiel zeigt: Wenn Kinder aus Sicht der Schule zuhause ‚zu wenig‘ gefördert werden, hängt das damit zusammen, dass für bestimmte Elterngruppen die Unterstützung ihrer Kinder anspruchsvoller ist und sie in ihrem Alltag mehr Herausforderungen meistern müssen als andere Eltern. Gerade zugewanderte Personen leben in Deutschland oft unter schwierigen Bedingungen, sie sind etwa häufiger armutsgefährdet und arbeiten häufiger in prekären Arbeitsverhältnissen (Loschert et al. 2023; Statistisches Bundesamt 2024; Goebel und Krause 2024, S. 213; Salikutluk und Podkowik 2024).
In unseren Beobachtungen und Interviews zeigt sich, dass diese Hindernisse für Elternbeteiligung in den Schulen durchaus wahrgenommen werden. Trotzdem wird den Eltern zusätzlich ein Desinteresse an der Schule, bzw. der schulischen Entwicklung ihrer Kinder unterstellt. Das zeigt sich beispielsweise im folgenden Ausschnitt aus dem Interview mit einer Lehrerin:
„ […]aber wenn Eltern natürlich total überfordert sind zu Hause oder wie jetz eben berufstätig, mehrere Arbeitsstellen haben, dann denk ich wirds vonseiten der Eltern schwierig sich einzubringen in der Schule, weil einfach n Zeitmanagement im Weg steht oder wenn Eltern eben auch sagen, äh, Schule ist nicht wichtig. Dann ist kein Interesse da, dann wird des Kind an der Schule eben abgeliefert für den Unterricht und die, ähm, Eltern selber interessieren sich überhaupt nicht für Schule und es ist ihnen nicht wichtig und dann haben sie fast keine Chance, ähm, an so n Elternteil ranzukommen.“
Die Initiativen in den Schulen sind primär daran ausgerichtet, das „Interesse“ der Eltern zu fördern. So richten Lehrpersonen eindringliche Appelle an die Eltern, ihre Kinder zu unterstützen. Um den Ernst der Lage zu verdeutlichen, weisen sie darauf hin, dass sonst das ‚Scheitern‘ der Kinder in der Schule droht.
Das erhöht den Druck auf die Eltern, hilft aber letztlich nicht, die Unterstützung für die Kinder zu verbessern.
Um das zu erreichen, ist der erste Schritt, in den Schulen die unterschiedlichen Perspektiven und Bedarfe von Familien wahrzunehmen und in Rechnung zu stellen.
In unseren Beobachtungen bringen Eltern mit nicht-deutscher Erstsprache und benachteiligte Eltern ihre Anliegen in den Schulen erstaunlich wenig zur Sprache, bzw. werden oft nicht gehört. Obwohl Eltern mit nicht-deutscher Erstsprache und benachteiligte Eltern zahlenmäßig stark vertreten sind, scheint das Bewusstsein für die Normalität von Mehrsprachigkeit und unterschiedlichen Lebenslagen gering. Die Schwierigkeiten dieser Eltern werden als Abweichung von der Normalität gesehen und als ‚Sonderthemen‘ behandelt. Diese müssen aus eigener Kraft oder ggf. mit der Hilfe der Schulsozialarbeit gelöst werden. Auch die Eltern selbst nehmen ihre Schwierigkeiten als Privatsache wahr und wollen nicht fortlaufend um Hilfe und Unterstützung bitten oder gar Forderungen stellen. Diese Individualisierung von Problemlagen ist nicht geeignet, um eine partizipative inklusive Schulentwicklung in Gang zu bringen.
Daher fragten wir uns: was brauchen diese Eltern, um in der Schule für ihre Bedarfe einzustehen? Was muss in den Schulen passieren, damit diese Bedarfe als Teil der Normalität (an)erkannt werden und Schule und Eltern gemeinsam an tragfähigen Lösungen für alle arbeiten können?
Literaturverzeichnis
- Goebel, Jan; Krause, Peter (2024): Einkommensentwicklung und Armut nach Bevölkerungsgruppen. Verteilung, Angleichung und Dynamik. In: Bundeszentrale für politische Bildung, Statistisches Bundesamt, Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung und Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (Hg.): Sozialbericht 2024. Ein Datenreport für Deutschland. Bonn, S. 203–227. Online verfügbar unter https://www.bpb.de/system/files/dokument_pdf/Sozialbericht_2024_bf_k2.pdf, zuletzt geprüft am 04.12.2024.
- Loschert, Franziska; Kolb, Holger; Schork, Franziska (2023): Prekäre Beschäftigung - prekäre Teilhabe. Ausländische Arbeitskräfte im deutschen Niedriglohnsektor. SVR-Studie 2023-1. Hg. v. Sachverständigenrat für Integration und Migration.
- Maaz, Kai; Artelt, Cordula; Brugger, Pia; Buchholz, Sandra; Kuger, Susanne; Kühne, Stefan et al. (2024): Bildung in Deutschland 2024. Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zu beruflicher Bildung. Bielefeld: wbv.
- Salikutluk, Zerrin; Podkowik, Klara (2024): Grenzen der Gleichheit: Rassismus und Armutsgefährdung. Kurzbericht des Nationalen Diskriminierungs und Rassismusmonitors. Hg. v. Deutsches Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM). Berlin (NaDiRa-Kurzbericht, 1). Online verfügbar unter https://www.rassismusmonitor.de/detail/2024-5-7/grenzen-der-gleichheit-rassismus-und-armutsgefaehrdung/, zuletzt geprüft am 04.12.2024.
- Statistisches Bundesamt (Hg.) (2024): Armutsgefährdungsquote nach Migrationshintergrund. Migration und Integration. Online verfügbar unter https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Bevoelkerung/Migration-Integration/Tabellen/migrationshintergrund-armutsgefaehrdung.html, zuletzt geprüft am 02.10.2024.
- Weishaupt, Horst (2023): Umgang mit Sprachenvielfalt. Schüler*innen mit nichtdeutscher Familiensprache. In: Bildung & Wissenschaft (6), S. 15–20.
Wößmann, Ludger; Schoner, Florian; Freundl, Vera; Pfaehler, Franziska (2023): Der ifo-"Ein Herz für Kinder"-Chancenmonitor. Wie (un.)gerecht sind die Bildungschancen von Kindern aus verschiedenen Familien in Deutschland verteilt? In: ifo Schnelldienst 76 (04), S. 29–47. Online verfügbar unter file:///C:/Users/pss447/Downloads/sd-2023-04-freundl-et-al-chancenmonitor-1.pdf, zuletzt geprüft am 03.12.2024.